Sensationsfund am Hauptbahnhof

28.April 2016 – Gleich zwei große Baumeister des 19. Jahrhundets sind die Erbauer unseres Augsburger Hauptbahnhofs; Eduard Rüber war der Schöpfer des Ursprungsbaues 1846. Georg Friedrich Christian Bürklein gab ihm 1869 sein heutiges Erscheinungsbild. Dadurch, dass der Bahnhof als Bürkleinbau berühmt wurde, nahm man nicht  mehr war, dass in ihm das Gebäude seines Vorgängers steckt. Durch die Grabungsarbeiten zum Tunnel meldet sich aber Eduard Rüber mit einem hochkarätigem Denkmaldetail aus der Ursprungszeit zurück. Dieses jedoch ist dem “temporären Abbruch” preisgegeben.

Dem “temporären Abbruch” freigegeben

Im Zuge der Realisierung der Mobilitätsdrehscheibe seit 2003 galt eine Zeitlang der Bürkleinbahnhof,in dem der Rüberbahnhof steckt als unantastbares Denkmaljuwel.

Auszug aus dem Planfeststellungsbeschluss:

Nach und nach gab man jedoch die kompromisslose Haltung auf und opferte das Erdgeschoss des Mittelbaues (Halle) dem Tunnelbau der Tram im 2. Untergeschoss. Dafür wählte das Landesamt für Denkmalpflege den „denkwürdigen” Begriff des „temporären Abbruchs”.

Der Mittelbau Rübers hatte keinen direkten Zugang sondern nur Treppen zu den beiden Wandelhallen. Bürklein hatte die Wandelhallen abgerissen und durch geschlossene zweigeschossige Zwischenbauten ersetzt und dann dem Gesamtbau die Wandelhalle vorgebaut. Dabei wurde der Sockelbereich des Rüberbaus zugeschüttet. Dieser Bauteil wird jetzt sichtbar und mit Erlaubnis des LFD „temporär” abgebrochen. Der Abbruch ist das Ende jedes Erhaltungsverlangens.

Der Sockelbereich des Rüberbaus aus grauem Sandstein ist  wieder sichtbar

Der Sockelbereich des Rüberbaus aus grauem Sandstein ist wieder sichtbar

Freigelegter Sockel mit Platzpflaster von 1846

Freigelegter Sockel mit Platzpflaster von 1846

Offenbar gab es keine Substanzuntersuchung,die solch hochkarätigen Details zutage gebracht und sicherlich zu einer Ablehnung des Abbruchs geführt hätte.

Sichtschutz auf hochkarätiges Denkmaldetail

Sichtschutz auf hochkarätiges Denkmaldetail

Nachdem das Sockeldetail freigelegt war und den verantwortlichen Bauleitern am Bahnhof bewusst wurde, was sie da für einen Schatz ausgegraben hatten, wurde die Stelle schnell den Blicken der interessierten Fachwelt entzogen.

Die Architekturgeschichte des Augsburger Hauptbahnhofs

Eduard Rüber (* 17. Mai 1804 in Deisenhausen; † 10. November 1874 in München[1]; vollständiger Name: Joseph Maria Eduard Pascal Rüber) war ein deutscher Architekt und bayerischer Baubeamter, der als Erbauer zahlreicher Bahnhofsgebäude in Bayern gilt.

Fotografie des Hochzeitsportraits von Eduard Rüber 1833

Rüber wuchs ab 1807 in Augsburg auf und besuchte dort das Gymnasium. Nach dem Abitur immatrikulierte er sich am 23. November 1823 an der Münchner Kunstakademie und studierte dort Baukunst bei Friedrich von Gärtner. Ab 1830 war er Baugehilfe im Kreisbaubüro Augsburg, später Zivilbauinspektor und 1842 kurzzeitig stellvertretender Kreisbaurat bei der Regierung von Schwaben und Neuburg, bevor er im gleichen Jahr als Architekt der Königlichen Eisenbahnbau-Kommission nach Nürnberg berufen wurde. 1848 wechselte er in gleicher Funktion nach München. Er stand zuletzt im Rang eines Regierungs- und Baurats.

Der Rüberbahnhof von 1846

Der Rüberbahnhof von 1846

Von Rüber stammen unter anderem die Entwürfe für die Bahnhofs-Empfangsgebäude in Augsburg (Erweiterung um 1870 durch Friedrich Bürklein), Bamberg, Erlangen, Fürth, Kaufbeuren (abgerissen), Lindau (abgerissen), Nürnberg (abgerissen) und Rosenheim (umgenutzt). In Lindau wirkte er auch beim Bau der Hafenanlage mit dem heute noch bestehenden Leuchtturm und dem Löwen sowie beim Bau der Villa Leuchtenberg am Seeufer in Lindau-Reutin mit.

1854 wurde der Rüberbau durch zusätzliche seitliche Anbauten erweitert, die Zugangssituation mit den Treppen und den Wandelhallen blieb noch erhalten.

1854 wurde der Rüberbau durch zusätzliche seitliche Anbauten erweitert, die Zugangssituation mit den Treppen und den Wandelhallen blieb noch erhalten.

Rüber war Ritter des Königlich Bayerischen Verdienstordens vom Heiligen Michael und des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens. In Donauwörth ist eine Straße nach ihm benannt, in Lindau der Platz am Hafen.

Im Jahr 1860 veröffentlichte Rüber die 89-seitige Abhandlung Das Rasendach, die wohlfeilste, dauerhafteste und feuersicherste Eindeckungsart für Stadt- und Land-Gebäude bei der J. G. Cotta’schen Buchhandlung.

Die Grabstätte von Rüber befindet sich in München auf dem Alten Südfriedhof, Sektion 07. Aus seinem Nachlass sind drei Briefe an die J. G. Cotta’sche Buchhandlung im Deutschen Literaturarchiv Marbach erhalten.

Georg Friedrich Christian Bürklein (* 30. März 1813 in Burk; † 4. Dezember 1872 in Werneck; meist nur: Friedrich Bürklein) war ein deutscher Architekt, bayerischer Baubeamter und Schüler von Friedrich von Gärtner. Sein Bruder war der Architekt Eduard Bürklein.

Georg Friedrich Christian Bürklein

Der Neubau des Münchner Hauptbahnhofes 1847-1849 und seine gewagte Stahlkonstruktion machte ihn bekannt. In seinem Schaffen folgten weitere Bahnhofsbauten, z. B. Pasing (1847-1848), Augsburg (Umbau), Bamberg, Ansbach, Neu-Ulm, Hof (Alter Bahnhof), Nördlingen, Rosenheim, Würzburg, Nürnberg und Bad Kissingen.

Die Vorhalle des Haupbahnhofs von Bürklein um 1900

Die Vorhalle des Haupbahnhofs von Bürklein um 1900

Schnitt durch den Bürkleinbahnhof

Schnitt durch den Bürkleinbahnhof

Bürklein schuf das heutige Gebäude mit der Wandelhalle, eingespannt zwischen den neuen Eckrisaliten. Damals verschwand das Sockelelement des Rüberbahnhofs

Nach seiner Ernennung zum königlichen Baurat (1852) wurde er – wie Leo von Klenze und sein Lehrer Friedrich von Gärtner – zu einem Repräsentanten staatlichen Bauens in Bayern. Zu seinen größten Bauprojekten zählte das Städtebauprojekt der Münchner Maximilianstraße mit allen Großbauten und Privathäusern.

Bürkleinbahnhof: Zugang über fünf Stuf

Bürkleinbahnhof: Zugang über fünf Stufen

Bürkleinbahnhof: Zugang über fünf Stufen. Dadurch wesentlich monumentaler
als heute. Die zwei fehlenden Stufensteine sind noch im Untergrund vorhanden. Vorplatz mit grüner, raumbildender Einfassung, ein typischer Bahn-HOF.

Bürklein verwirklichte ab 1851 mit der Maximilianstraße und dem auf der Isarhöhe malerisch platzierten Maximilianeum den neugotisch beeinflussten Maximilianstil, der zum ersten Mal im Neubau der Frauengebäranstalt in der Sonnenstraße, dem späteren Postscheckamt, zur Anwendung kam.

Zu dem durch Bürkleins Fassadengestaltung sehr harmonischen baulichen Ensemble der Maximilianstraße gehört auch die 1859 neu verblendete Nordfassade der Alten Münze sowie das 1856-1864 erbaute Gebäude der Regierung von Oberbayern. Diese Stilrichtung konnte sich jedoch nach dem Tod des Königs Maximilian II. nicht weiter durchsetzen. Heute hat man den architektonischen Wert jedoch wiederentdeckt und 2005 bei den Maximilianhöfen die Bürkleinsche Fassade nachempfunden.

Im Zuge der Realisierung der Mobilitätsdrehscheibe seit 2003 galt eine Zeitlang der Bürkleinbahnhof,in dem der Rüberbahnhof steckt als unantastbares Denkmaljuwel.

Interessant ist im Vergleich mit der Theatersanierung, wie die Politik die Bewertung unserer Denkmale beeinflusst. Dort, wo das Denkmal dem politischen Willen im Wege steht wie am Bahnhof, verfährt man großzügig und und gewährt den „temporären Abbruch“. Dort, wo ein Denkmal die politischen Ziele unterstützt wie am Theater wird jeder Stein und Putzbrocken „heilig gesprochen“.

Volker Schafitel, Architekt

3 Kommentare

  1. Silvia Malyevacz-Winderlich sagt:

    Besser kann es nicht formuliert werden! Habe selbst erlebt, wie “Denkmalschutz” funktioniert: Wenn es politischen Interessen dient, einfach ein historisch wertvolles Gemälde verschwinden lassen, damit der Umbau nicht in Verzug gerät….

  2. Glaser Hilde sagt:

    Ich finde es großartig, dass es einen Menschen in der Stadt gibt, der unermüdlich die Würde dieser Stadt verteidigt.

  3. Kurt Winter sagt:

    Bravo Schafitel !!

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