Der Kanal (3-Heimat) Juni/18

Heimat ist, wo man sich daheim fühlt. Wenn man sie verlässt, prägen sich die Bilder der Heimat als Sehnsucht  im Gedächtnis ein. Wenn man zurückkommt, möchte man sie so wieder vorfinden, wie man sie verlassen hat und wie man sich über Jahre an sie erinnert hat.

Von einem Bürgermeister wird an erster Stelle erwartet, dass er die Heimat seiner Bürger schützt. Das erfordert manchmal Kreativität.

Wenn es um den Schutz der Heimat geht, ist es nicht damit getan, Stellungnahmen von Fachbehörden einzuholen und diese als Jurist korrekt umzusetzen und zu vollziehen. Besonders dann nicht, wenn man merkt, dass der Vollzug für die Bürger ein schmerzhafter Wertverlust ist. Auch ein Verlust dessen, was sie mit Heimat verbinden, woran sie sich gewöhnt haben und was sie in der alten Form behalten wollen.

Wie groß der Schmerz ist zeigen die Bilder, auf denen sich normale Bürger vor Fällmaschienen stellen, um ein Stück Ihrer Heimat zu schützen. Das sind keine Querulanten und auch keine Wahlkämpfer sondern Menschen, die sich zu solchen Aktionen überwinden müssen, oft mit feuchten Augen.

Mit einem umfangreichen Fragenkatalog haben Stadträte nach Lösungen gesucht, die Fällaktion abzuwenden. Die Fragen haben die Fachbehörden „abgearbeitet” ohne dabei jede Möglichkeit auszuschöpfen, dem Wunsch der Bürger gerecht zu werden. Selbst selbstschmerzhafte Kompromisse wurden abgelehnt.

Obwohl genug Zeit dafür war, hat man das Thema nicht im Stadtrat beraten sondern über den Umweltausschuss durchgewunken.

Dass es baustatische oder wassertechnische Lösungen gibt, sogar alle Bäume zu erhalten, hat die Beratung mit unabhängigen Fachleuten gezeigt. Gefahr ist damit nicht in Verzug und es bleibt Zeit, die beste Lösung für das Viertel mit den Bürgern zu erarbeiten.

Was die aktuelle Diskussion zeigt ist, dass die Bürger an ihrem Kanal keine Veränderung wollen. Der Kanal soll so bleiben wie er ist. Dieser Wunsch stand auch am Stempflesee im Vordergrund und die Menschen lieben ihn nach der Sanierung genauso wie zuvor.

Politiker und Planer sind oft gleichermaßen daran interessiert, Dinge zu verändern. Die einen als Zeichen ihrer Tatkraft (Jane Jacobs), die anderen im Glauben, ihre Kreativität könnte jede Situation verbessern.

Es gibt aber Orte, die sind den Menschen über Jahrzehnte ans Herz gewachsen. Oft sind sie zufällig entstanden ohne Gestaltungsabsicht. Wie sie sind, stellen sie die Menschen zufrieden. Ein Designer oder Planer, der alles aufhübscht ist nicht gefragt. Der Charme dieser Orte liegt in ihrer Unvollkommenheit.

Die Umsetzung des Architektenwettbewerbs, den der Baureferent als Trostpflaster den Bürgern am 28.Mai in Dom Bosco versprochen hat, konnte keinen beeindrucken. Im Gegenteil hat diese Ankündigung neue Ängste ausgelöst.

Die in der Jurybewertung zu erwartende „selbstverständlich und elegant wirkende Prägnanz” ist möglicherweise bei den Bürgern gar nicht erwünscht, genauso wenig wie ein „funktionsfähiges und attraktives Kontinuum der Freiraumkorridore”.

Die Stadträume gehören den Bürgern des Viertels und deren Gestaltung bzw. Veränderung darf nicht dazu führen, dass sich die „Einheimischen” nicht mehr zuhause fühlen und durch die Erwartungen der Neuansiedler verdrängt werden.

Ohne die Bürger zu fragen, braucht man eine Umsetzung des Wettbewerbs gar nicht weiterdenken.

Volker Schafitel, Architekt
Vorsitzender

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